Bevor wir endlich detaillierter von den vielen Enttäuschungen und negativen Erfahrungen in China erzählen, wollen wir erst dem riesigen Plateau nördlich des Himalaja den ihm gebührenden Beitrag widmen. Denn eines steht fest: Die karge und doch so vielfältige Landschaft, die eisigen Gipfel der Sechs- und Siebentausender, die schier unvorstellbar harten Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen und die wilde, raue Natur gehören sicherlich zum Eindrücklichsten, was wir je und insbesondere auf der Ultratour II gesehen haben.
29. Juli, Start von Yecheng Richtung Tibet: Noch kurz zuvor von Sandstürmen gequält, radeln wir nur wenige Kilometer südlich der Taklamakan-Wüste spürbar bergauf. Es regnet. Die Reifen versinken bis zu den Pedalen im schmierigen Matsch. Trotzdem schaffen wir es über den ersten Pass, den 3300 Meter hohen Kudi La. Als wir die beiden folgenden knapp 5000 Meter hohen Pässe überqueren, ist die Piste wieder trocken. Doch nun hüllen uns die Baustellenfahrzeuge in mehlfeinen Staub, der uns und unserer Kameratechnick zusetzt.
Selbst Christian hält es nicht ohne provisorische Schutzmaske aus. Immerhin können wir den Baustellenbereich – entgegen der Informationen, die uns in Kasachstan beschäftigten – ohne Wartezeit befahren. Noch sind wir nicht optimal akklimatisiert, schlafen schlecht, müssen bei der kleinsten Anstrengung schwer atmen, husten. Die Nebenhöhlen fühlen sich schmerzhaft trocken an, die Augen tränen. Wir können und wollen uns keine Pause leisten, nehmen vom Aksai-Chin-Plateau aus gleich den Khitai-Pass (5190 m) in Angriff. Dabei staunen wir immer wieder über die Kraft der unzähligen Staßenarbeiter, von denen nur wenige ihre Lungen mit Staubmasken schützen.
Die Baustelle endet erst zwei Kilometer vor Rutok, einer der wenigen „Städte“ Tibets. Ab hier rollen die Reifen über beinahe perfekten Asphalt nach Shiquanhe (Ali), das wie eine Ansiedlung auf dem Mond anmutet, in dieser extrem menschenleeren Gegend aber einer Großstadt gleichkommt. Vor Darchen, dem Ausgangspunkt für die Umrundung des heiligen Bergs Mount Kailash, verhüllen dichte Wolken die hohen Gipfel. Der Monsun scheint dieses Jahr besonders stark zu sein und über den Himalaja bis weit ins tibetische Hochland vorzudringen.
Da wir uns nur noch fünf Tage in China aufhalten dürfen, müssen wir zu unserer großen Enttäuschung die Strecke von Darchen bis Kyakzaru (Saga) mit dem Jeep zurücklegen. Und dort folgt gleich der nächste Dämpfer: Die Agentur hat versäumt, die Permits für die Strecke zum Shisha-Pangma-Fahrerlager einzuholen. Während wir am nächsten Tag über Wellblechpisten holpern und gegen stürmischen Gegenwind anradeln, grübeln wir, suchen nach einer Lösung. Schließlich schleichen wir uns früh am Morgen an der Polizeistation vorbei, welche die Permits kontrolliert, und radeln über beinahe wegloses Gelände, immer wieder durch eiskalte Gletscherabflüsse illegal die letzten 18 Kilometer zum Ziel, zum Ausgangspunkt der Shisha-Pangma-Expedition auf 5000 m Höhe.
(nach einer Aufzeichnung von Annette Kniffler)
Liebe Annette, lieber Christian u. Michael!
Wir wollen Euch gratulieren, dass Ihr nun nach all den Strapazen „angekommen“ seid. Vor allen, wie wir lesen konnten, gesund! Nun habt Ihr ja eine zwar nicht ganz ideale Ruhepause und könnt ein bißchen entspannen!?! vor Euerem großen Vorhaben. Vielleicht habt Ihr ja Zeit, uns eine kleine e-mail zu schreiben. Weiterhin Gesundheit und Glück – bis dann – liebe Grüße die Becks